Das Geheimnis der griechischen Sprache

Worauf kommt es eigentlich an, bei dieser für viele Lernwillige so komplizierten Sprache?

Für deutsche Muttersprachler ist vorerst einmal alles anders, schon einmal beginnend mit dem Alphabet, das sehr oft eine unüberwindbare Hürde darstellt. Das griechische Alphabet ist zwar eine unverzichtbare Voraussetzung, wenn man ernstlich die Sprache erlernen möchte, aber ist es einer der wesentlichen Knackpunkte?
Aber NEIN, das Alphabet ist es nicht, es ist vergleichsweise eine der leichtesten Übungen (wenn man sich nur einmal wirklich ernstlich damit auseinander setzt).
Es ist auch nicht das konsequente Deklinieren der Adjektive zum zugehörigen Substantiv, sowohl hinsichtlich Genus und Numerus, das ist nur in der deutschen Sprache ein wenig schlampig gehandhabt und kennt man sehr konsequent auch in vielen anderen Sprachen (z B. in Italienisch). Es gibt viele Unterschiede zwischen den Sprachen Deutsch und Griechisch, die einzeln für sich keine großartigen Hürden darstellen, man lernt sie mehr oder weniger automatisch und nebenbei je nach Lernfortschritt mit.

Was ist aber nun der sogenannte Knackpunkt, der es ausmacht, dass ein griechischer Muttersprachler akzeptiert, sich mit einem Fremdling auf Griechisch (und nicht im astreines Deutsch, Englisch, Holländisch usw.) zu kommunizieren?

Genau genommen sind es zwei Knackpunkte, die allerdings eng miteinander verbunden sind.

Zuallererst ist es die Sprachmelodie, die in das Unterbewusstsein ganz tief eindringen muss. Das bedeutet, bei jeder Gelegenheit die sich anbietet griechische Texte hören (können auch Lieder sein), auch wenn man vorerst einmal so gut wie nichts versteht davon. Sehr hilfreich sind Kurse, deren griechische Texte durchgängig von nativen Griechen gesprochen sind und nicht ständig durch deutsch gesprochene Texten (wie das leider bei den meisten gängigen modernen Griechisch-Kursen wie z. B. Kalimera und Pame der Fall ist) unterbrochen wird.
Zum Thema Sprachmelodie gehört auch die Betonung der einzelnen Worte und da macht es uns das Griechisch mit den unverzichtbaren Betonungszeichen etwas einfacher. Sobald das Wort mehr als zwei Silben hat, wird durch einen “Tonos” auf einem der oder mehreren Vokalen des Wortes die Betonung gekennzeichnet.

Der zweite ganz wesentliche Knackpunkt ist das griechische Verb und auch der wesentlichste Grund, der zur so besonderen griechischen Sprachmelodie führt.
Die griechische Sprache unterscheidet sehr streng, ob eine Handlung noch im Gange, oder schon abgeschlossen ist, bzw. ob eine Handlung konjunktiv zu sehen ist.
Davon Abhängig ändert das Verb seine Stamm-Form, die bei unregelmäßigen Verben zu völlig unterschiedlichen Begriffen führen kann:
z. B.: τρώω = ich esse, έφαγα = ich habe gegessen.

Gleichzeitig verschiebt sich auch die Betonung um eine Silbe und das alles zusammen wird zur Sprachmelodie, die man in einem Kurs an der Volkshochschule kaum vermittelt bekommt.

Ich weiß, ein wenig viel für heute … aber zwei Merksätze sollten wir uns mitnehmen:

  1. so viel wie nur möglich griechisch hören und
  2. mit jedem neuen Verb auch gleich die 2. Stamm-Form mitlernen

Natürlich gibt es wie in jeder Sprache auch in der Griechischen Sprache ganz viele andere Facetten, die man aber mehr oder weniger automatisch im Lern-Verlauf mitbekommt. An die oben genannten zwei Punkte sollte man aber ganz bewusst heran gehen!

Wichtig zu wissen ist auch: Ein Grieche versteht einen richtig betonten aber phonetisch völlig falsch gesprochenen Begriff viel eher, als einen phonetisch völlig korrekt aber falsch betonten Begriff.

Ähnliches kann man ja auf Deutsch provozieren: Was ist z. B. der Unterschied zwischen „Blumento Pferde“ und „Blumentopferde“?

Zum Thema Neugriechisch, siehe auch: Ta Elenika auf dieser Homepage.

Anmerkung: Die hier gegebenen Hinweise sind natürlich lange nicht vollständig und auch keineswegs als sprachwissenschaftliches Regelwerk zu sehen. Es ist lediglich ein bescheidener und laienhafter Versuch, die eigenen Erfahrungen an Lernwillige weiter zu geben.  

 


Kommentare

Das Geheimnis der griechischen Sprache — 5 Kommentare

  1. Hallo-Wow, vielen Dank. Die VHS-Kurse sind idR tatsächlich recht uninteressant und nur was für den Urlauber. Die daraus resultierenden Urlaubsbildchen entsprechen leider meist dem Niveau. Aber wer’s mag … 😉
    Ich hätte in deinem Sehr guten Beitrag auch gerne noch etwas mehr zum Aorist und seine konkrete Anwendung erfahren. Hast Du hierzu auch einen Link?

    • Eigentlich ist der griechische „Aorist“ «αόριστος» (mit dem normalerweise der „aktive“ Aoriststamm gemeint ist) sehr einfach beschrieben. Oft wird einerseits der Fehler gemacht, dass er in den Vergangenheitsformen zu sehr mit dem bei uns mehr geläufigen „Imperfekt“ verglichen wird (den es im neugriechischen als «παρατατικός» gibt), außerdem wird oft der Fehler gemacht, den Aorist nur in der Vergangenheitsform zu sehen.
      Regel 1:
      Genau genommen sprechen wir von einem „aoristischen Aspekt“ und das bedeutet grundsätzlich, dass eine Handlung „von außen gesehen“ wie eine abgegrenzte (abgeschlossene) Einheit, quasi wie ein Punkt zu sehen ist. Wir merken uns das Stichwort „abgeschlossene“ Handlung.
      Diesen „aoristischen Aspekt“ gibt es auch in anderen indogermanischen Sprachen. Das spezielle in Neugriechisch ist, dass der Aorist eine zweiten Verb-Stamm nutzt. Das was wir in den Wörterbüchern für ein bestimmtes Verb finden, ist der sogenannte „paratatische Stamm“, vergleichbar mit unserer „Nominativ-Form“.
      Der 2. Verbstamm im Neugriechischen *1) kann von exakt gleich, sehr ähnlich, leicht ableitbar bis total anders (unregelmäßig) zur 1. Stammform sein und dazu gleich eine ganz wesentliche Regel, für Lernwillige:
      Regel 2:
      „Zu jedem neuen Verb immer gleich die zweite Stammform mit dazu lernen!“
      Wichtig noch anzumerken ist:
      Das griechische Verb kennt 4 sogenannte „Paradigmen“
      Unter einem Paradigma versteht man allgemein eine grundsätzliche Denkweise. Das Wort entstammt dem griechischen παράδειγμα und hier in diesem Zusammenhang ist es als „grundsätzliches Anwendungsmuster“ für das Verb zu sehen.
      Die 4 Paradigmen ergeben sich aus der Kombination von:
      2 Zeitformen (der Vergangenheit und der Nicht-Vergangenheit *2)) und von
      2 Aspekten (dem PARATASTISCEN Aspekt und dem AORISTISCHEN Aspekt).
      Die allermeisten Handlungen lassen sich in eines dieser 4 Paradigmen eingliedern. Der Ordnung halber wollen wir aber auch noch anmerken, dass es von den meisten Verben sowohl eine aktive, als auch eine passive Form gibt. Wir wollen das Thema für den Anfänger aber nicht zu sehr verkomplizieren und befassen uns hier nur mit der Aktiv-Form.
      Daraus ergibt sich die
      Regel 3:
      Jede Handlung an der ein Verb beteiligt ist, lässt sich in eines der 4 Paradigmen einordnen.
      Paratatischer Aspekt + Vergangenheit = PARATATIKOS «παρατατικός»
      Paratatischer Aspekt + NICHT-Vergangenheit = PRÄSENS *2) «ενεστώτας»
      Aoristischer Aspekt + Vergangenheit = AORISTOS «αόριστος»
      Aoristischer Aspekt + NICHT-Vergangenheit =AORISTISCHER KONJUNKTIV «υποτακτική»
      Die Betonung liegt hier auf Handlung! Sonderformen wie „das Partizip“, eine Verbform, die eine Mittelstellung zwischen Verb und Adjektiv einnimmt (Mittelwort) – lassen wir hier außen vor.

      *1) Anmerkung 1:
      Genau genommen kennt allerdings das griechische Verb nicht nur die oft erwähnten 2 Stämme, sondern insgesamt 4 Stämme:
      (1) den paratatischen Stamm «ενεστωτικό θέμα» (unseren Präsensstamm)
      (2) den aktiven Aoriststamm «θέμα ενεργητικού αορίστου»
      (3) den nicht-aktiven Aoriststamm «θέμα παθητικού αορίστου»
      (4) den Stamm des Partizip Perfekt «θέμα της μετοχής παρακειμένου»
      Das nur der Ordnung halber. Wir wollen an dieser Stelle die Situation für den Anfänger nicht zu kompliziert machen, zum Überblick aber doch noch alle 4 Formen am Beispiel des Verbs „schreiben“ darstellen, das im Neugriechischen unregelmäßig ist.
      (1) γράφω (ich schreibe), (2) έγραψα (ich schrieb), (3) γράφτηκα (ich wurde [ein]geschrieben), (4) γραμμένος (geschrieben).

      *2) Anmerkung 2:
      Das griechische Futur hat „keine“ eigene Verbform (aus Verb-Stamm und Verb-Endung gebildet).
      Das Futur wird durch den „Partikel θα“ und der entsprechenden Form der „Nicht-Vergangenheit“ (paratatisch oder aoristisch je nach Art der Handlung: fortwährend, abgeschlossen oder konjunktiv)
      Erläuterungen allgemeiner Art zum Aorist sind auch bei Wikipedia zu finden.
      https://de.wikipedia.org/wiki/Aorist

  2. sehr gut und richtig erklaert, vor allem dass der Aorist keine eigene “Zeit”ist, wie Gegenwart oder Vergangenheit usw, sondern ein Aspekt, eine Differenzierung der Handlung, des Verbs!Kommt uebrigens aus dem Sanskrit!

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